„Schuwardt, wir müssen reden!“

Robin sagte mir, schreib doch mal was über Bauchentscheidungen. Mein erster Gedanke, wo soll ich denn da etwas finden? Sich zu Beginn eines neuen Jahres mit neuen Themen auseinanderzusetzen, kann aber auch ein guter Vorsatz sein.

Tatsächlich sind mir zwei Bücher zu dem Thema eingefallen. Gerd Gigerenzer (Bauchentscheidungen) und Daniel Kahneman, der als Psychologe 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Er hatte herausgefunden, dass zwischen schnellem und langsamem Denken unterschieden wird. Da langsames Denken uns sehr anstrengt, ist es gut und auch überlebenswichtig, dass das weniger anstrengende, langsame Denken ebenfalls existiert. Beim schnellen Denken handelt es sich um Entscheidungen, die wir instinktiv und emotional treffen. Das langsame Denken betrifft Entscheidungen, die auf durchdachte, reflektierte, abgewogene Überlegungen zurückzuführen sind.

Das langsame Denken ist im Gegensatz zum schnellen Denken nicht immer aktiv. Zu den schnellen Entscheidungen gehören die Bauchentscheidungen, die völlig unbewusst getroffen werden.

Manche Entscheidungen, die der Bauch getroffen hat, können auch gar nicht begründet werden. Ich erinnere mich gerade an eine Situation als Kind. In unserer Familie war es die Ausnahme, dass wir unter der Woche im Wohnzimmer gegessen haben. Aus welchen Gründen auch immer, gab es mal einen Wochentag, an dem wir abends im Wohnzimmer gegessen haben. Zum Glück: Über der Küchenbank, auf der meine Schwester und ich unsere Plätze hatten, befand sich ein Hängeschrank. Just an diesem Abend ist er von der Wand gefallen. Im Nachhinein wird keiner logisch begründen können, wieso wir im Wohnzimmer gegessen haben. Es war einfach eine Bauchentscheidung.

Auch beim Einkaufen kennen wir das doch auch. Dazu später noch mal mehr. Auf alle Fälle sind es Entscheidungen, die unbewusst getroffen worden sind. Bauchentscheidungen helfen uns, Entscheidungen zu treffen, wenn uns lediglich unvollständige Informationen zur Verfügung stehen. Insbesondere in Gefahrensituationen ist es wichtig, dass wir uns ohne vollständige Informationen sofort entscheiden. Die Entscheidung ohne vollständige Informationen nennt man Heuristik.

Bei einem auf uns zufahrenden Auto wäre es fatal, wenn unser System II (langsames Denken) erst vorglühen müsste, um die Entscheidung zu treffen, doch eher das Lenkrad herumzureißen.

Also kann man schon mal festhalten, dass Bauchentscheidungen so etwas wie Intuitionen oder Ahnungen sind. Sie tauchen rasch im Bewusstsein auf und dennoch sind uns die tieferen Gründe nicht bewusst. Aber die Ahnungen sind stark genug, uns ins Handeln zu bringen.

Hier noch ein anderes Beispiel für ein gutes Bauchgefühl: Wenn ein Fußballer einen Pass auf seinen Mitspieler schlägt, so handeln sogar zwei Akteure ausschließlich mit Bauchgefühl oder treffen schnelle (unreflektierte) Entscheidungen. Eine Berechnung der Flugparabel des Balls ist völlig unmöglich. Welche Faktoren sollen beim Abspiel des Balls zur Berechnung alle herangezogen werden?

Spieler wenden die sogenannte Blickheuristik an. Sie fixieren den Ball, beginnen zu laufen und passen ihre Geschwindigkeit so an, dass der Blickwinkel immer konstant bleibt (Gerd Gigerenzer Bauchentscheidungen).

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen uns das Bauchgefühl ein Schnäppchen schlägt: Viele Ökonomen vertraten die Meinung, dass wir als Konsumenten unsere Kaufentscheidungen rational abwägen und den zu kaufenden Dingen einen Nutzen beimessen, welchen wir optimieren wollen.

An folgendem Beispiel will ich deutlich machen, dass das nicht immer stimmt. Denk doch mal an deinen letzten Einkauf. Ich will gar nicht vom Autokauf sprechen, bei dem ich Testberichte und Preislisten habe. Ich kann die Ausstattung wählen: Ledersitze oder doch die preiswerteren Stoffsitze … Nein, ich meine den normalen Einkauf im Supermarkt. Ich habe meine Einkaufsliste mit 10 Artikeln aufgeschrieben. Wie viele Artikel liegen anschließend in meinem Einkaufswagen? Mit Garantie mehr als 10. Unser Gehirn (also in diesem Fall unser Bauchgefühl) biegt mal eben noch am Süßigkeitenregal ab und verlangt nach einer Tafel Schokolade. Das Unterbewusstsein hat mir gerade gesagt, dass der Tag gut war und ich eine Belohnung brauche.

Also lass den Bauch ruhig auch mal mitentscheiden. Ganz so falsch sind seine Entscheidungen nicht, die er trifft. Sei dir aber auch bewusst, dass er nicht immer richtig entscheidet. Und diese Fehlentscheidungen können zu Konflikten führen. Schnell sagen oder tun wir etwas, was falsch verstanden wird, und schon sind wir einem Streit verfangen. Aber das kann ja in einer Mediation geklärt werden …

Deswegen, „Schuwardt, wir müssen reden!“

dein Egbert Schuwardt
Mediator | Coach | Berater

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