In der vergangenen Woche habe ich eine Mediation begonnen, die ich mal als „Haus am Eaton Place“ bezeichnen will. Es sind nicht so herrschaftliche Verhältnisse, aber ein paar kuriose Intrigen sind dabei.

Zwei Schwestern mit ihren Männern gehört dieses Mehrfamilienhaus. Jede Familie leistet ihren Beitrag für das Haus. Doch die Beteiligten nehmen wahr, dass sie unterschiedliche Beiträge leisten. Dies halten sie für ungerecht.

Doch was ist überhaupt gerecht oder Gerechtigkeit? Große Worte, die wir gelassen aussprechen.

An dieser Stelle möchte ich nicht darüberschreiben, dass Gerechtigkeit ein Prinzip eines staatlichen oder gesellschaftlichen Verhältnisses ist, das jedem (gleichermaßen) sein Recht gewährt.
Ich meine vielmehr: etwas, was als fair und gerecht angesehen wird. Gerechtigkeit regelt die Beziehungen zwischen Menschen. Googelt man mal den Begriff „Gerechtigkeit“, so geht es auch immer wieder um die Abwägung aller Interessen und Wertvorstellungen zu einer fairen Verteilung von Gütern und Chancen in einem System. Vielfach – und damit bekomme ich wieder den Bogen zu meiner Mediation – wird Gerechtigkeit als Gleichheit verstanden.

Die Mutter hat zwei Apfelsinen und verteilt sie gerecht an ihre zwei Kinder.

Was ist aber, wenn es nur eine Apfelsine gibt? Wie kann diese gerecht verteilt werden? Wenn ein Kind die Schale für den Kuchen (Orangenzesten) benötigt und das andere Kind den Saft trinken möchte, so kann die Mutter unter Berücksichtigung der Interessen der Kinder eine Orange gerecht aufteilen.

Das hört sich einfach an, ist aber eines der schwierigsten Themen überhaupt. „Ist es gerecht, das Leben eines Menschen zu opfern, um den Tod vieler Menschen zu verhindern?“. Gerade jetzt in der Corona-Krise wurde diese Frage häufig diskutiert.

Jeremy Bentham (1748 – 1832) geht davon aus, dass alle Menschen nach Vermögen und Wohlbefinden streben und Schmerz und Unglück vermeiden. Demnach ist alles Tun, was Wohlergehen und Glück hervorruft, moralisch richtig und moralisch falsch ist, was Unglück und Leid auslöst. Wichtig ist allerdings den Utiliraristen nicht nur das eigene Glück, sondern immer auch das Glück des anderen. Eine gerechte Handlung fördert also das Glück Mehrerer und nicht das Glück einzelner Menschen.

Für Libetarianer bedeutete Gerechtigkeit nach seinen Vorstellungen leben und handeln zu können. Freiheit als höchstes Gut der Gerechtigkeit; aber insbesondere die Freiheit der Menschen zu achten und zu bewahren.

Für Immanuel Kant ist eine Handlung dann gerecht, wenn jemand das Richtige aus dem richtigen Grund tut.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Ein Kind möchte beim Bäcker ein Brot kaufen. Der Bäcker könnte dem Kind zu viel berechnen, ohne dass es auffällt. Er macht es dennoch nicht, weil es ihm schaden könnte, wenn es rauskommt. Nach den Überlegungen von Kant handelt der Bäcker nur im eigenen Interesse. Richtig ist also nicht einfach das, was nützlich und üblich ist. Im Sinne von Kant bedeutet es für unseren Bäcker: Er handelt dann moralisch richtig und damit gerecht, wenn der Grund für die Berechnung des normalen Preises lautet: Es ist falsch, andere Menschen zu betrügen oder ihre Unwissenheit auszunutzen. Diese Ansicht von Immanuel Kant steht damit im Widerspruch zu Jeremy Bentham.

Bei allen Überlegungen zum Thema Gerechtigkeit stellen wir fest, dass Gerechtigkeit nicht Gleichheit bedeutet.

Für den US Philosophen John Rawls bedeutet Gerechtigkeit, Chancen und Wohlstand nicht dem Zufall zu überlassen.

Die Alternative ist also, die ungleiche Verteilung von Talenten und Voraussetzungen zu korrigieren, ohne die Begabtesten zu beschränken (Gerechtigkeit auf der Basis des Unschuldsprinzips). Der schnellste Läufer soll sein Preisgeld mit denen teilen, die schlechter abgeschnitten haben.
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass es viele subjektive Meinungen gibt, was gerecht ist und es gibt diese Meinungen, die es immer wieder abzuwägen gibt.

Ich wünsche dir einen schönen Abend, dein

Egbert Schuwardt
Mediator und Coach

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