„Schuwardt, wir müssen reden!“

Eine interessante Frage. Danke Robin für den Impuls, über die Frage nachzudenken.

Kennst du auch das Video von Eckart von Hirschhausen: Pinguin Prinzip.

„Wer als Pinguin geboren wurde, wird niemals zu einer Giraffe.“ Mir geht es eher um den Anfang seiner Erzählung. Was kann das arme Tier denn schon machen. Keine Flügel, keine Beine, noch nicht einmal Knie. Und dann springt der Pinguin ins Wasser und gleitet dahin. Was will ich oder Eckart von Hirschhausen damit sagen: Schaue bitte zweimal hin.[1]

Also Robin, ich denke gerne mal in einer Lernpause darüber nach. Ist das so? Warum meinen wir, dass etwas so ist?

Bei diesem Thema geht es m. E. zum einen um Komplexität und zum anderen – wie ich bereits oben geschrieben habe – um den ersten Eindruck bzw. um die eigene Sichtweise auf die Dinge. Schaue ruhig zweimal hin.

Komplexität, wieder so ein Ausdruck, den wir schnell mal verwenden, wenn wir mal wieder an unsere Geistesgrenzen stoßen. „Das ist mir jetzt zu komplex!“ Das hört sich zunächst mal besser an, als „das ist mir zu kompliziert“.

Fangen wir mal ganz klein an mit: EINFACH.

Einfach ist z. B. das Spiel mit 5 Metallkugeln, die an Bändern von einer Stange herabhängen. Lasse ich eine der äußeren Kugeln gegen die andere schlagen, so wird die äußere andere Kugel in Bewegung gesetzt. Eine einfache Form eines Perpetuum mobile.

KOMPLIZIERT als nächste Steigerung z. B. für mich, die Funktion eines Lichtschalters.

Ich drücke auf den Schalter und das Licht leuchtet. Sprechen wir gar nicht von einem Computer. Die Funktion eines Computers ist immer noch nicht komplex.

KOMPLEX wird es, wenn zwei Menschen einander begegnen. Diese können sich so gegenseitig beeinflussen, dass man das Ergebnis ihrer Interaktion nicht vorhersehen kann. Es gilt die Rechenformel 1 + 1= 3. Treffen sich zwei Menschen, ist es noch einfach komplex.

Selbst Sachverhalte können sehr komplex sein, wenn ich nicht voraussehen kann, wie die Dinge sich gestalten. Zwar sind dann auch Menschen im Spiel, aber ich versuche mal ein Beispiel zu formulieren, was auch Sachverhaltsgestaltungen komplex machen kann.

Nehmen wir an, ich möchte mir bei dem Händler meines Vertrauens ein weiteres Rennrad kaufen. Ich möchte allerdings höchstens 2.000,00 € ausgeben. Zurzeit hat mein Händler aber nur ein besseres und damit teureres Rad auf Lager. Ich bin ein guter Kunde, und deswegen bekomme ich das Bike für 3 Monate, aber dann muss ich es zurückgeben. Dann wird mein Wunschrad auch geliefert. Ich schwinge mich beschwingt auf das Superbike und genieße die weiteren Features in vollen Zügen. Nach mehreren Ausfahrten möchte ich kein anderes Rad mehr haben. Jetzt ruft mich aber der Händler nach 3 Wochen an: Egbert, ich brauche das Rad zurück für den Kunden, der die 5.000,00 € ausgeben möchte. Du musst noch warten, bis deins geliefert wird.

Jetzt fängt es an, für meinen Fahrradhändler komplex zu werden.

Er möchte mich nicht verprellen, weil es ja mein 4. Rad ist, was ich bei ihm kaufen möchte. Den anderen Kunden, der bereit ist, 5.000,00 € zu bezahlen, möchte mein Händler auch nicht vor den Kopf stoßen. Die Eigendynamik dieser Situation und die Intransparenz nimmt zu. Die Komplexität nimmt zu. Welche Maßnahmen soll der arme Fahrradhändler ergreifen. Ist das so, wie wir uns das alle vorstellen?

Ich bin beleidigt? Der andere Kunde stocksauer, dass ich das Rad nicht rausrücken will? Der Fahrradhändler stellt (komplexe) Vermutungen an, ohne zu wissen, was ich wirklich denke, ohne zu wissen, was der andere Kunde wirklich möchte.

Vielleicht bin ich ja bereit zu warten, bis das preiswertere Rad kommt. Vielleicht bin ich ja bereit, das teurere Rad zu kaufen. Vielleicht ist der andere Kunde ja bereit, auf die Lieferung eines weiteren Rades zu warten. Möglichkeiten ohne Ende, die ich alle nicht vorherberechnen kann. Bei Beispiel mit dem Lichtschalter gibt es tatsächlich Menschen, die in der Lage sind auszurechnen, wie stark die Leistung sein muss, damit das Licht auch erleuchtet, wenn ich den Schalter betätige.

Bei meinem Fallbeispiel geht es gerade nicht vorherzusehen, was passiert. Und das ist komplex, aber nicht kompliziert.

An diesem scheinbar simplen Beispiel sieht man, dass man die Lösung nicht mehr durch „lineares“ Denken finden kann. Es ist schon ein sehr verworrenes Wirkungsnetz.

Eine Steigerung der Komplexität erreichen wir, wenn eine ganze Gruppe oder ein Team agiert.

Unsere aus der Vergangenheit abgeleiteten Erfahrungen helfen uns gar nicht mehr weiter eine Entscheidung zu treffen.

Also lasst uns reden, um die Komplexität – die zum Leben dazugehört, wie die Luft zum Atmen – ein wenig zu reduzieren.

 

Mit sonnigen Grüßen von der Nordsee.

Dein Egbert Schuwardt
Mediator | Coach | Berater

 

[1] Dr. Eckart von Hirschhausen – Das Pinguin Prinzip – Bing video

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2 Kommentare

  1. Lieber Egbert, wieder ein toller Impuls für mich!! REDEN IST GOLD, um unser komplexes Leben gut zu leben. DANKE! Liebe Grüße Rhena

    1. Liebe Rhena, danke für deinen Kommentar. Es freut mich. In alten Unterlagen habe ich heute noch gefunden, dass Komplexität genau zwischen Starrheit und Chaos liegt. Und genau dazwischen findet unser Leben statt. Das ist Leben.
      Liebe Grüße Egbert

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