Dieser neue Beitrag passt m. E. hervorragend zum Beitrag „Abschied nehmen, Adieu“.
Ein kleines Büchlein von Björn Kern: „Das Beste, was wir tun können, ist nichts!“ Er nennt es gelingendes Nichtstun.
Witzig beschreibt er, wie er sein Leben im Oderbruch, östlich von Berlin führt. Wie schön ist die Idee, den Tag mit einem kühlen Getränk (hier ist es ein Bier) auf der Gartenbank zu beginnen und darüber nachzudenken, ob mir mein Nachbar nicht lieber sein Werkzeug leiht, ehe ich in den nächsten Baumarkt fahre und dort das Werkzeug kaufe, was ich vielleicht nie wieder benötige.
Warum den Hochdruckreiniger kaufen, den ich nur einmal im Frühjahr benötige?
Also lieber mal die Seele baumeln lassen und den Wert der Muße erkennen. In unserer Leistungsgesellschaft ist Untätigkeit eine Rarität und damit sehr wertvoll.
„Gelingendes Nichtstun!“. Muße wirkt gegen Stress. Wir kennen alle den Müßiggänger, der seine Zeit nutzte und nicht arbeitet. Gerade unser christlicher Glaube vermittelt uns, dass Müßiggang der Anfang allen Lasters sei. Wir haben es regelrecht verlernt, dass Nichtstun die hohe Kunst ist. Wir bringen den gestressten (Karriere-)Menschen mehr Bewunderung entgegen als dem Lebenskünstler.
Muße ist lt. Duden freie Zeit und (vor allem) Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht. Also nicht unbedingt freie Zeit, sondern Zeit, die ich mir selbst einteilen kann.
Das hat dann auch immer etwas mit NEIN sagen zu tun und nicht JA, obwohl ich NEIN meine. Es fällt uns einfach schwer Grenzen zu setzen. NEIN sind 4 mutige Buchstaben, wie Anja Förster und Peter Kreuz schreiben. Wir stehen vor diesem Dilemma der Entscheidungen und sagen eher mal JA. Unsere Entscheidungsfreiheit wird völlig überfordert und deswegen sind wir im Dauermodus (online). Wer NEIN sagt, schafft sich Freiräume und Zeit für Muße, um sich weiterentwickeln zu können. Der Geist ist nicht mehr frei, wenn es überall blinkt, bimmelt und die To-Do-Liste mir einen weiteren überfälligen Termin anzeigt. Mit einem NEIN bewahre ich mir die Freiheit der Selbstbestimmtheit und des selbständigen Denkens. Beschränke dich auf DEINE wesentlichen Aufgaben und sage auch mal humorvoll NEIN zu einer Verabredung, wenn du eigentlich mit deiner Liebsten einen schönen Abend verbringen willst. Auch wenn die Verabredung dich beruflich (Netzwerken nennt man das heute) weiterbringen könnte.
Was kann also Müßiggang sein? So wie ich diesen Beitrag schreibe und nicht darüber nachdenke, was ich in dieser Zeit hätte noch alles andere Wertvolle machen können. Sei ganz bei dir, wenn du liest, schreibst, gehst und konzentriere dich auf den (gegenwärtigen) Moment.
Muße liegt weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Muße ist etwas ganz Gegenwärtiges.
„Leben ist nur im gegenwärtigen Moment verfügbar. Wenn man den gegenwärtigen Augenblick aufgibt, kann man die Augenblicke seines täglichen Lebens nicht mit Bewusstheit erleben.“ Thich Nhat Hanh
Die Griechen haben zwei Wörter für Zeit, die völlig unterschiedlich ticken.:
Chronos die präzise tickende Uhr und Kairos ist der für eine Entscheidung günstige Augenblick. Der beste Zeitpunkt, den wir nur erwischen, wenn wir uns in der Gegenwart befinden.
Die Zeit, die ich mir frei einteile kann, ist Muße. Die Möglichkeit der autonomen Zeiteinteilung ist ein wesentlicher Faktor, der darüber entscheidet, wie gestresst ich mich fühle. Je mehr ich fremd bestimmt bin, desto weniger kann ich über meine Zeit entscheiden und fühle mich gestresst. Je mehr ich agieren kann und nicht (auf Anfragen, Mails) reagieren, desto mehr Muße empfinde ich.
Klar finde ich es witzig, schon morgens auf der Gartenbank zu sitzen und ein Bier zu trinken. Das Bild steht aber für autonome Zeiteinteilung, die mit Müßiggang und Selbstbestimmung einhergeht.
Müßiggänger nehme ich oft als Querdenker war, ohne die es nicht zu einer Veränderung gekommen wäre.
Gerne denke ich bei gelingendem Nichtstun an John Lennon, der Anfang Dezember vor 40 Jahren erschossen wurde. Er verbrachte seine Flitterwochen mit Yoko Ono vor den Augen der Weltöffentlichkeit im Bett. („Bed In for Peace“ Aktion in Amsterdam und Montreal). Ich nenne es gelingendes Nichtstun. Vielleicht finden wir das auch ganz schön schräg.
Die Erwartungshaltung an uns ist doch, dass wir aus Sicht der anderen etwas Sinnvolles mit unserer Zeit machen sollen. Dabei hat doch das kleine Nickerchen heute Mittag so viel Gutes bewirkt. Vergiss doch einfach, ob das Mittagsschläfchen aus Sicht anderer Menschen wertschöpfend ist.
Viele Spitzensportler (z.B. die Weltklasseschwimmerin Britta Steffen) gönnen sich Zeiten des Nichtstuns. Wir gestehen uns das häufig nicht ein, weil es als Schwäche ausgelegt werden kann.
In diesem Sinne: Ich freue mich auf die Mittagsstunde am Wochenende.
Liebe Grüße dein
Egbert Schuwardt
Mediator und Coach