Mark Twain sagte es schon: „Manchmal glaube ich, wir sind keine Familie sondern ein biologisches Experiment“.

Wie kommt es zu einer solchen Aussage? Kinder spüren eigentlich genau, was von ihnen erwartet wird. Manch einer arbeitet sich sein ganzes Leben an den Auftrag oder dem Traum seiner Eltern ab. Wenn sie es nicht schaffen, so wird der Auftrag sogar an die kommende Generation weitergegeben.

Nicht selten wünschen Eltern ihren Kindern zwar das Beste: Gesundheit Glück und noch viel mehr. Sehr häufig geht es jedoch darum, dass sich die Eltern zwar das Beste erhoffen – aber für sich selbst.

Aus tief empfundenen Wünschen für die Kinder werden hohe Erwartungen und aus den Erwartungen werden Aufträge an die Kinder, die diese erfüllen wollen. Diese werden erfüllt, damit man als Kind geliebt wird. Nicht selten haben die Eltern den Platz für die eigenen Kinder in der Welt bereits gebucht. Die Kinder dürfen ihren Platz nicht mehr selber suchen, sondern dürfen den gebuchten Platz nur noch einnehmen. Die Platzkarte haben die Eltern schon gebucht. Sehr früh spüren Kinder, dass die Eltern etwas von Ihnen wollen. Kinder versuchen die stillen Aufträge der Eltern zu erfüllen.

So habe ich gelesen, dass beispielsweise Franz Kafka, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, die Erwartung seines Vaters erfüllen sollte, sein Leben so zu führen, dass die Familie nicht mehr in Armut lebt. Auftrag: Lebe bürgerlich, verdiene gutes Geld und suche Sicherheit. Bestimmt hat der Vater nicht an Schriftstellerei gedacht. Franz Kafka war gefangen in dem Zwiespalt sein eigenes Leben als Schriftsteller zu führen und dem Auftrag des Vaters. Die Familie hat Kafka immer als einen speziell für ihn installierten Kerker gehalten.

Im Engelsjahr (Friedrich Engels wurde vor 200 Jahren geboren) beschäftige ich mich als Wuppertaler schon mal mit Friedrich Engels. Engels war der erstgeborene Sohn eines erfolgreichen Baumwollfabrikanten aus Barmen (heute ein Stadtteil von Wuppertal). Die Schule musste er ein Jahr vor dem Abitur verlassen, weil er den pietistischen Auftrag des Vaters nicht erfüllen wollte und sich mehr für humanistische Ideen interessierte. Mit seinem Aufsatz Briefe aus dem Wuppertal distanzierte sich der junge Engels bereits als 19 Jähriger (1839) von den Vorstellungen seines Vaters.

C G. Jung fasst das Familiendrama mit den folgenden Worten zusammen: „Nichts hat einen stärkeren psychologischen Einfluss auf die Kinder als das ungelebte Leben der Eltern“.
Häufig hören wir „Sei erfolgreich, sonst wirst du nicht geliebt“. Was haben die Eltern gesagt? Bring gute Noten nach Hause. Die Familienaufträge werden häufig nicht im Familienrat explizit besprochen. Es wird gerade nicht – auch in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht – besprochen, dass die Tochter oder der Sohn das Familienunternehmen weiterführen soll. Der Auftrag wird durch Verhalten erteilt – eher durch Vorleben und Vormachen als durch Vorschriften.

Als Kleinkind lernt man schnell, welches Verhalten Aufmerksamkeit und Zuneigung der Eltern sichert – ich eine Zurückweisung für welches Verhalten bekomme durch die Eltern.
Familienaufträge manifestieren sich sehr häufig in Merksätzen. Kennen wir die nicht alle?

„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“
„Dir soll es einmal besser gehen“
„Was sollen die Nachbarn von uns denken“

Wir kennen Sie alle. Sehr schlimme Fälle enden in der unterbewussten Äußerung: „Werde nie selbständig und löse dich nie von uns“. Die Eltern wollen so vermutlich ihr Kind an sich binden.

Nomen est omen.

Meine Partnerin Ina fragte mich, nach dem sie einen Artikel im Magazin Zeit Wissen Januar 2020 zum Thema „Die stillen Aufträge der Familie“ gelesen hatte, „Wieso trägst du den Namen Egbert?“.

Diese Frage war der Anlass mich mit dem Thema zu befassen.

Emotionale Familienaufträge tarnen sich sehr geschickt. Sie können sich sogar im Vornamen des Kindes verstecken.
Ich habe meinen sehr alten Vater fragen können. Welchen Auftrag wollten sie mir mit dem schönen und sehr seltenen Vornamen „Egbert“ erteilen?

Der im 2. Weltkrieg verstorbene Freund meines Vaters hieß Egbert. Egbert – so erzählte mein Vater – wollte studieren. Ich war dann der Erste in der Familie der studierte. Mein Vorname ist schon sehr selten und auch den Nachnamen gibt es nur in der Familie … Alles Weitere bleibt im Reich der Phantasie.
Schon beim ungeborenen Kind gibt es diese unausgesprochenen Erwartungen. „Fritz soll der Junge heißen, so wie sein Opa und Urgroßvater.“ Vielleicht waren diese Männer erfolgreiche Unternehmer und diese Erwartung wird dem kleinen Fritz bereits in die Wiege gelegt. Was wird aber, wenn Fritz doch nicht der erfolgreiche, sportliche Unternehmer wird? Oder statt Fritz kommt ein süßes Mädchen zur Welt?

In den Namen des Kindes legen Eltern nicht selten alle eigenen (unerfüllten) Träume.
In den nächsten Beiträgen will ich mich weiter mit der familiären Bühne und den Geschwisterrollen beschäftigen.

In diesem Sinne wünsche ich deiner Familie alles Gute und viele glückliche Jahre,

dein Egbert Schuwardt

Mediator und Berater

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Ein Kommentar

  1. Vielen Dank für Ihren inspirierenden Artikel, lieber Herr Schuwardt. Mit: „Aus tief empfunden Wünschen für die Kinder werden hohe Erwartungen und aus den Erwartungen werden Aufträge an die Kinder, die diese erfüllen wollen. Diese werden erfüllt, damit man als Kind geliebt wird. Nicht selten haben die Eltern den Platz für die eigenen Kinder in der Welt bereits gebucht. Die Kinder dürfen ihren Platz nicht mehr selber suchen, sondern dürfen den gebuchten Platz nur noch einnehmen.“ treffen Sie den Nagel auf den Kopf.

    Vielen meiner Klientinnen und Klienten geht es ähnlich. In meiner Coaching-Praxis erlebe ich immer wieder tiefen Schmerz, Angst und Verunsicherung bei dem Versuch, den EIGENEN Weg zu finden. Häufig haben diese Menschen das Gefühl, im falschen Leben, im falschen Beruf oder in der falschen Partnerschaft zu sein. Sie stecken in immer wiederkehrenden Konflikten mit PartnerInnen, Eltern oder Chefs oder fühlen sich unfrei. Als ob ein unsichtbares Band sie davon abhalten würde, sich mit dem zu zeigen, was sie wirklich ausmacht. Es ist so wichtig und hilfreich, sich seines unsichtbaren emotionalen Erbes bewußt zu werden. Dadurch ist es möglich, familiäre Muster zu durchbrechen und befreit den eigenen Lebensweg selbstbestimmt gestalten zu können.

    Es gibt Zitate, die gehen mitten ins Herz. Mich berührt – passend zum Thema – ein Text aus Hesses „Demian“ sehr:

    „Es gab keine, keine Pflicht für erwachte Menschen als die eine:
    sich selber zu suchen, in sich fest zu werden,
    den eigenen Weg vorwärts zu tasten,
    einerlei wohin er führt.“

    Mich selbst motiviert das sehr, mit meiner Spurensuche weiterzumachen. So lerne ich Schritt für Schritt, mich von familiären Verstrickungen zu befreien und auch meine Coachees darin zu unterstützen, sich ihres familiären Erbes bewusst zu werden, und eigene Begrenzungen und Blockaden zu überwinden.

    Herzlichen Dank lieber Herr Schuwardt für Ihre tolle Arbeit!

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